Wissenschaftliche Qualitätskriterien
Wissenschaftsethik ist ein Themengebiet, das in jeder Fachdisziplin von Bedeutung ist. Egal ob du in den Naturwissenschaften, Sozialwissenschaften oder Geisteswissenschaften tätig bist – in wissenschaftlichen Arbeiten müssen immer gewisse Qualitätskriterien eingehalten werden. In diesem Artikel erfährst du, was die einzelnen Gütekriterien sind, und kannst anhand von Beispielen verstehen, wie du sie selbst in deiner wissenschaftlichen Arbeit anwenden kannst.
Objektivität
Eine wissenschaftliche Arbeit soll objektiv Tatsachen abbilden. Es geht dabei nicht darum, Leserinnen und Leser von etwas zu überzeugen, sondern alle Fakten auf den Tisch zu legen, damit sie sich selbst ein Urteil bilden können. Du musst also beim wissenschaftlichen Arbeiten deine persönlichen Vorlieben und politischen Ziele beiseitelegen, um den Sachverhalt objektiv darstellen zu können. Der Forschungsgegenstand soll im Vordergrund stehen, nicht die forschende Person. Ist das Thema deinerseits mit zu viel Hoffnung, Vorurteilen, übergroßem Ehrgeiz oder einem eingeschränkten Blickwinkel verbunden, kann es schwer werden, es objektiv zu bearbeiten.
Vermeide also wertende Adjektive und emotionale Formulierungen für eine objektive Sprache. Beispielsweise sollte statt „Diese Entscheidung war eine Katastrophe“ besser „Diese Entscheidung hatte folgenreiche Auswirkungen“ geschrieben werden. Es ist nicht erlaubt, bestimmte Expertisen und Erkenntnisse zu ignorieren, nur weil sie nicht ins Konzept passen. Ebenso dürfen Forschungsergebnisse nicht einfach so manipuliert werden, damit sie die Forschungshypothese unterstützen.
Ob die „Ich-Form“ in wissenschaftlichen Arbeiten benutzt werden darf oder nicht, wird kontrovers diskutiert. Eigentlich spricht es gegen Objektivität, zu schreiben „Meiner Meinung nach…“ oder „Ich bin zu dem Ergebnis gekommen, dass…“. Besser ist es, zu schreiben „Die Daten deuten darauf hin, dass…“ oder „Daraus lässt sich schlussfolgern, dass…“.
Beachte: In quantitativer Forschung ist Objektivität von höherer Relevanz als in qualitativer Forschung. Interviewauswertungen und andere qualitative Methoden sind unweigerlich von der Sicht und Positionalität des Forschenden geprägt. Dies sollte im Methodik-Kapitel entsprechend reflektiert werden. Quantitative Forschung hingegen sollte unabhängig vom Forschenden stehen, damit die Daten für sich sprechen.
Ehrlichkeit
Ehrlichkeit ist nicht nur im Alltag, sondern auch in der wissenschaftlichen Praxis von Bedeutung. Dazu gehört, Quellen offenzulegen und richtig zu zitieren – denn sonst besteht Plagiatsgefahr und das hat weitreichende Konsequenzen wie Exmatrikulation oder die Aberkennung eines Doktortitels.
Ebenfalls schädlich für die wissenschaftliche Karriere ist es, Ergebnisse zu erfinden. Hierbei handelt es sich um Betrug. Ein klassisches Beispiel für Unehrlichkeit in der Wissenschaft ist der berühmte Fall von Andrew Wakefield, der eine gefälschte Studie über den Zusammenhang zwischen Impfungen und Autismus veröffentlichte. Dies führte zu erheblichen negativen Folgen für die öffentliche Gesundheit.
Zu Ehrlichkeit gehört auch, unerwartete Schwierigkeiten, die sich während des Forschungsprozesses ergaben, nicht zu verschweigen. Es hinterlässt sogar einen guten Eindruck beim Gutachter, wenn du in der Methodik ehrlich reflektierst, welchen Hindernissen du begegnet bist und wie du diese überwunden hast.
Beispiel: Stell dir vor, du führst eine Umfrage durch und es stellt sich heraus, dass die Rücklaufquote deutlich geringer ist als erwartet. Statt dies zu verschweigen, solltest du die niedrige Rücklaufquote und ihre möglichen Auswirkungen auf die Ergebnisse offen ansprechen.
Überprüfbarkeit
Überprüfbarkeit ist eines der wichtigsten Qualitätskriterien in der Wissenschaft. Was nicht überprüfbar ist, ist unwissenschaftlich. Dazu zählen zum Beispiel persönliche Erfahrungen oder Meinungen. Niemand kann dir absprechen, dass du bei deinem Urlaub in Paris eine tolle Zeit hattest. Aber um eine wissenschaftliche Erkenntnis handelt es sich dabei nicht.
Ein Grundsatz der Wissenschaft ist, dass wissenschaftliche Theorien falsifizierbar und für Kritik zugänglich sein müssen. Die Überprüfbarkeit wissenschaftlicher Theorien ist der Versuch, sie zu widerlegen. Das bedeutet, es braucht nur einen Beweis, um zu zeigen, dass eine Theorie nicht stimmt. Somit gibt es wissenschaftlich betrachtet eigentlich keine Wahrheit, sondern immer nur vorläufige Wahrheiten.
Bei Theorien, die nicht überprüfbar sind, aber als Wissenschaft dargestellt werden, handelt es sich um Pseudowissenschaften. Die nationalsozialistische Rassenlehre ist ein Beispiel dafür. Die Idee, dass es Menschenrassen gäbe, war eine Erfindung, die auf keinerlei überprüfbaren wissenschaftlichen Erkenntnissen basierte. In der Propaganda wurde es dennoch als Wissenschaft dargestellt, um den Ausschluss von Juden aus der Gesellschaft und schließlich die Massenmorde zu rechtfertigen.
Reliabilität
Reliabilität zählt ebenfalls zu den Gütekriterien für wissenschaftliche Arbeiten. Damit ist gemeint, dass eine andere forschende Person unter den gleichen Forschungsumständen, mit den gleichen Methoden zu denselben Ergebnissen kommen sollte. Auch dieses Gütekriterium gilt eher für die quantitative, als für die qualitative Forschung. Dafür sollen stabile, angemessene und zuverlässige Messinstrumente und repräsentative Forschungsgruppen bzw. -gegenstände gewählt werden.
Bei qualitativer Forschung ist Reliabilität, genau wie Objektivität, keine so dringende Voraussetzung, weil der subjektive Standpunkt des Forschenden die Ergebnisse unweigerlich beeinflusst.
Validität
Validität ist ebenfalls ein Gütekriterium, das vorwiegend für quantitative Forschung gilt. Hier ist die Frage, ob auch wirklich gemessen wird, was gemessen werden sollte. Die Antwortspielräume bei Befragungen sollten nicht zu groß sein und die Stichprobe muss repräsentativ gewählt werden.
Beispielsweise ist es sehr unaussagekräftig, in einem quantitativen Fragebogen zu fragen „Verdienen Sie gut?“. Besser ist, die Frage mit Multiple Choice zu gestalten und verschiedene Einkommensklassen zum Ankreuzen einzutragen. So sind die Beantwortungen am Ende besser vergleichbar.
Bei qualitativer Forschung hingegen sind offene Fragen sogar eher gewünscht, da die Beantwortungen dann mehr Spielraum zur Analyse lassen. Wenn die Stichprobe in qualitativer Forschung nicht repräsentativ ist, ist dies in Ordnung, sollte aber in der Methodik angesprochen werden.
Verständlichkeit
Eine wissenschaftliche Arbeit kommt weder beim Gutachter noch bei anderen Lesern gut an, wenn sie nicht verständlich oder zu kompliziert ist. Das gilt zum Einen für die Sprache, aber auch für die Arbeit als gesamtes.
Bei der Sprache solltest du auf klare, präzise Formulierungen achten. Vielleicht hast du in wissenschaftlichen Texten oft komplizierte Schachtelsätze mit vielen Fremdwörtern gelesen und bemühst dich jetzt auch, so zu schreiben. Aber waren diese Texte tatsächlich angenehm zu lesen? Meist muss man da Passagen doppelt und dreifach lesen, um sie zu verstehen. Mach es deinen Lesern also leichter mit klaren Formulierungen und kürzeren Sätzen. Wenn du Fachbegriffe benutzt, erkläre diese.
Um die Arbeit insgesamt verständlicher zu machen, solltest du einem roten Faden folgen. Du musst deutlich erklären, wie du in deiner Forschung vorgegangen bist, um die Ergebnisse nachvollziehbar zu machen. Komplizierte Sachverhalte kannst du durch Grafiken, Bilder oder Symbole visualisieren und somit besser verständlich machen. Zur Verständlichkeit zählt auch, dass deine Arbeit bezüglich Schriftart und Layout gut lesbar sein soll.
Relevanz
Dieses Kriterium mag in der Bachelorarbeit oder in Hausarbeiten noch nicht so wichtig wirken, aber grundsätzlich sollten wissenschaftliche Arbeiten eine gewisse wissenschaftliche Relevanz aufweisen. Das bedeutet, sie sollen die Wissenschaft voranbringen, neues Wissen schaffen oder vorhandenes bündeln, Praxisprobleme lösen, oder zu weiterer Forschung anregen.
Im Studium bei der Bachelor- oder Masterarbeit zum Beispiel kannst du das Qualitätskriterium Relevanz auch in deine Themenauswahl einfließen lassen – welches Thema ist für dich persönlich relevant? Was würde dich zum Beispiel in der Berufsorientierung weiterbringen, wo liegen deine persönlichen Entwicklungsinteressen und deine fachlichen Interessen? Versuche daraus dann ein Thema zu finden, das sich auch mit dem aktuellen Forschungsstand und Diskursen in Verbindung bringen lässt.
Logische Argumentation
In wissenschaftlichen Arbeiten ist es wichtig, logisch zu argumentieren. Die Regeln der Logik sind: Prämisse 1 und Prämisse 2 führen zu einer Konklusion.
Beispiel:
Prämisse 1: Eine Bachelorarbeit ist eine wissenschaftliche Arbeit.
Prämisse 2: Wissenschaftliche Arbeiten müssen die wissenschaftlichen Qualitätskriterien erfüllen.
Konklusion: Bachelorarbeiten müssen die wissenschaftlichen Qualitätskriterien erfüllen.
Die zugrundeliegenden Prämissen müssen allerdings auch stimmen. Ansonsten kann die Logik schlüssig sein, aber zu einem falschen Argument führen.
Beispiel falsche Prämisse:
Prämisse 1: Einstein lebte in der Urzeit.
Prämisse 2: In der Urzeit gab es Dinosaurier.
Konklusion: Einstein ist Dinosauriern begegnet.
Eine weitere mögliche Fehlerquelle ist, Zusammenhänge zu sehen, wo keine sind, also zwei unabhängige Prämissen in Bezug zueinander zu bringen und daraus eine falsche Schlussfolgerung zu schließen.
Beispiel falscher Zusammenhang:
Prämisse 1: Max hat dieses Jahr seinen Masterabschluss gemacht.
Prämisse 2: Kurz darauf gewann er im Lotto.
Konklusion: Wer seinen Masterabschluss macht, wird im Lotto gewinnen.
Es gibt deduktive und induktive Argumente. Bei deduktiven Argumenten ergibt sich der Schluss logisch aus den Begründungen, wie oben beschrieben. Induktive Argumente entstehen, wenn man von Einzelbeobachtungen auf das Ganze schließt. Dabei entsteht dann ein Argument mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit, aber kein sicher richtiges Argument wie in der deduktiven logischen Argumentation.
Beispiel induktive Logik:
Prämisse 1: Ich bin Studentin.
Prämisse 2: Ich bin Anfang 20.
Konklusion: Alle Studierenden sind Anfang 20.
Originalität
Originalität als wissenschaftliches Qualitätskriterium bedeutet Eigenständigkeit. Dazu zählt wieder, dass Plagiate strengstens verboten sind. Zudem heißt es, dass eine wissenschaftliche Arbeit etwas Neues schaffen soll. Wie in dem Kriterium „Relevanz“ bereits angesprochen, geht es darum, die Wissenschaft voran zu bringen. Das kann beispielsweise durch eine neuartige Fragestellung, Anwendung in einem neuen Kontext, oder eine neue Methode geschehen.
Nachvollziehbarkeit
Das Kriterium Nachvollziehbarkeit ergibt sich aus den obigen Kriterien. Wenn all diese erfüllt sind, wird die wissenschaftliche Arbeit schon automatisch nachvollziehbar. Die Arbeit muss also objektiv, ehrlich, überprüfbar, reliabel, valide, verständlich, relevant, logisch schlüssig und originell sein, um nachvollziehbar zu sein.
Fairness
Ein weiteres Gütekriterium in der wissenschaftlichen Arbeit ist Fairness. Diese ist auf den Umgang mit anderen Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen, bzw. deinen Kommilitonen bezogen. Diesen solltest du kollegial und mit Respekt begegnen. Das bedeutet, dass man fremde Ideen originalgetreu wiedergibt und auf die Quellen verweist, um Plagiate zu vermeiden. Zudem unterstützt man sich gegeneinander, soweit man kann, bspw. durch konstruktive Kritik.
Verantwortung
Wissenschaftliches Arbeiten ist mit einer gewissen Verantwortung verbunden. Zum einen ist das die Selbstverantwortung, aber auch Verantwortung gegenüber der Wissenschaft. Für eventuelle Fehler und Irrtümer sind Forschende selbst verantwortlich und auch für die Schäden, die sich daraus eventuell ergeben. Ein bekanntes Beispiel für fehlende Verantwortung ist der Contergan-Skandal, bei dem ein Medikament ohne ausreichende Tests zugelassen wurde, was zu Tausenden von Geburtsfehlern führte. Zudem sind Forschende dafür verantwortlich, sorgfältig mit persönlichen Daten ihrer Interviewpartner umzugehen.
Fazit
Wissenschaftliches Arbeiten erfordert nicht nur methodische Präzision, sondern auch ethische Achtsamkeit. Die Gütekriterien Objektivität, Ehrlichkeit, Überprüfbarkeit, Reliabilität, Validität, Verständlichkeit, Relevanz, logische Argumentation, Originalität, Nachvollziehbarkeit, Fairness und Verantwortung sind Leitlinien, die nicht nur die Qualität, sondern auch die Integrität der Forschung sichern.
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