Literature Review: Stand der Forschung beschreiben
Die Literature Review – auch „Stand der Forschung“ oder „Theoretischer Rahmen“ genannt – ist eines der ersten Kapitel von wissenschaftlichen Arbeiten. Hier sollst du einen Überblick über bislang erschienene Literatur geben und aufzeigen, wie deine Forschung dort anknüpft. In diesem Artikel geben wir dir einen Leitfaden zur Orientierung an die Hand, wie du beim Planen und Schreiben der Literature Review vorgehen kannst.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Literature Review beschreibt den aktuellen Stand der Forschung in wissenschaftlichen Arbeiten
- Das Kapitel umfasst ca. 30-40% des Umfangs wissenschaftlicher Arbeiten
- Die Literature Review bringt die Ergebnisse der Literaturrecherche auf den Punkt
- Betreuer erwarten eine kritische Auseinandersetzung mit der Literatur
Was ist eine Literature Review?
Die Literature Review ist das erste Kapitel des Hauptteils von wissenschaftlichen Arbeiten, nach der Einleitung. Hier sollst du den theoretischen Rahmen bilden, auf dem deine Arbeit basieren wird. Auf Deutsch wird dieses Kapitel unter anderem auch mit der Überschrift „Stand der Forschung“, „Theoretischer Rahmen“, oder „Theoretischer Hintergrund“ versehen.
Lesetipp: Einen gesamten Überblick zum Aufbau wissenschaftlicher Arbeiten findest du im verlinkten Artikel
Das Kapitel macht circa 30-40% des Umfangs der wissenschaftlichen Arbeit aus und ist in Bachelorarbeiten, Masterarbeiten und Doktorarbeiten Pflicht.
Mit der Literature Review sollst du zeigen, dass du dich tiefgründig mit dem Thema auseinandergesetzt hast und die wichtigsten Debatten, Erkenntnisse und Theoretiker gut kennst. Je weiter fortgeschritten du im Studium bist, desto umfangreicher muss die Literature Review sein. In einer Bachelorarbeit wird demnach noch nicht so viel Auseinandersetzung mit der Literatur verlangt, aber in einer Doktorarbeit kann die Literaturrecherche durchaus ein halbes Jahr in Anspruch nehmen und es gibt deutlich höhere Anforderungen.
Phase 1: Literaturrecherche
Bevor du die Literature Review schreiben kannst, musst du eine umfangreiche Literaturrecherche zu deinem Thema durchführen. Dies ist nach der Themenfindung der erste große Schritt in jeder wissenschaftlichen Arbeit. Erst wenn du dich gut genug mit dem Thema auskennst, kannst du die eigene Forschung antreten.
Für die Literaturrecherche solltest du im ersten Schritt Quellen sammeln. Je nach Themengebiet kann es unendliche Ergebnisse in den Literatur-Datenbanken geben. Du musst also einen Zeitplan im Hinterkopf haben und Prioritäten setzen – welche Werke musst du unbedingt gelesen haben und welche sind weniger relevant? Sortiere dabei nicht die Klassiker aus – diese sind aus guten Gründen zu Klassikern geworden. Wenn sie viel in deiner Forschungsdisziplin zitiert werden, solltest auch du dich mit ihnen auseinandersetzen.
So findest du Literatur:
- Suche bei Google Scholar
- (Online-)Bibliotheken
- Empfehlungen deines Betreuers
- Direkte Suche über wissenschaftliche Journals
- Schneeballmethode: Literaturverzeichnisse relevanter Quellen durchgehen
Wenn du deine Sammlung angelegt hast, kannst du mit dem Lesen beginnen. Bei der Lektüre findet man mit der Schneeballmethode oft noch weitere Werke, die häufig zitiert werden und dann ebenfalls auf deiner Leseliste landen. Versuche hier also strukturiert vorzugehen, um nicht den Überblick zu verlieren. Bei manchen Werken kann es auch ausreichen, sie zu überfliegen oder nur das Abstract, die Einleitung und das Fazit zu lesen.
Phase 2: Literature Review schreiben
Um mit dem Schreiben zu beginnen, brauchst du zuerst eine klare Struktur und eine genaue Idee davon, was du in der Literature Review unterbringen möchtest.
Stelle es dir vor wie eine Dinner Party. Auch diese muss im Voraus durchdacht geplant werden.
Die Gästeliste
Zuerst musst du dir die Frage stellen „Wer ist eingeladen?“ Also: Wen wirst du zitieren? Du hast keinen Platz für jeden, den du gelesen hast, sondern nur die wichtigsten Gäste.
VIP-Einladungen
Wer ist so eine Berühmtheit in deinem Forschungsfeld, dass du für ihn oder sie einen besonderen Platz reservieren musst? Das können Klassiker sein (bspw. Freud zur Psychoanalyse, Marx zum Kapitalismus oder Mendel zur Vererbung) oder Theoretiker, die sich genau mit der Forschungsnische auseinandersetzen, die auch du thematisierst.
Das Buffet
Nachdem du festgelegt hast, wen du einladen möchtest, musst du dir Gedanken darüber machen, was serviert wird. Was bringen die einzelnen Gäste zum Buffet mit? Also welche Hypothesen, Theorien und Forschungsergebnisse bringen sie mit? Setze dich genau damit auseinander, was sie sagen und was nicht, wie sie es sagen, und warum sie es sagen. Welche Methoden, Theorien und Modelle haben sie angewendet? Sind diese angebracht, oder wären andere Methoden sinnvoller gewesen?
Die Sitzordnung
Auch die Sitzordnung deiner Dinner-Party musst du festlegen. Wer sitzt neben dir, also mit wem setzt du dich am meisten auseinander? Und bei wem reicht es, wenn du ihn nur kurz grüßt? Welche Theoretiker streiten sich, wenn du sie nebeneinander setzt? Es ist auch wichtig, solche gegenteiligen Meinungen in der Literature Review in Bezug zu setzen.
Deine Rede
Irgendwann während der Party klopfst du an dein Glas, um eine Rede zu halten. Das ist in der Literature Review die Beantwortung der Frage, welchen Beitrag deine wissenschaftliche Arbeit zur Forschung leistet. Wie kann deine Forschung in den aktuellen Forschungsstand integriert werden? Welche Forschungslücken adressierst du?
Die Dinner-Party
Alle Vorbereitungen sind getroffen und die Party kann beginnen. Du hast einen guten Überblick über die Ziele deiner Literature Review und kannst mit dem Schreiben beginnen. Gehe dabei strukturiert vor, aber lasse dich nicht durch Perfektionismus vom Schreiben abhalten. Du kannst den Text im Nachgang noch redigieren.
Aufbau der Literature Review
Meistens werden Literature Reviews thematisch geordnet. Sie beinhalten dann circa drei Unterüberschriften zu den wichtigsten Themen und Debatten aus dem aktuellen Stand der Forschung. Ausnahme bieten historische Arbeiten. Diese werden statt nach Themen chronologisch geordnet, also nach Veröffentlichungsdatum der Forschung.
Auch eine Klärung der Schlüsselbegriffe kann wahlweise in der Literature Review oder schon in der Einleitung der wissenschaftlichen Arbeit stattfinden.
Kritisches Denken in der Literature Review
In der Bachelorarbeit wird es zwar noch nicht verlangt, aber bei der Literature Review der Masterarbeit und Doktorarbeit legen die Begutachter auch großen Wert auf kritisches Denken. Eine einfache Zusammenfassung der Literatur reicht für die Anforderungen nicht aus. Stattdessen musst du die Literatur in Dialog bringen, Verbindungen finden und vor allem – auch deine eigene Stimme einbringen. Du musst mit Autorität schreiben, deinen Standpunkt deutlich machen und zeigen, wie der theoretische Rahmen in Bezug zu deiner Forschung steht.
Kritisches Denken bedeutet hier nicht, alles negativ zu sehen. Es heißt, du sollst die Literatur kritisch analysieren, also die Schwächen und Lücken, aber auch die Stärken und bahnbrechenden Erkenntnisse einzelner Werke hervorheben.
Umgang mit Forschungslücken
Die meisten wissenschaftlichen Arbeiten beschäftigen sich mit Forschungslücken. Vor allem bei Doktorarbeiten ist das der Fall. Da kann es natürlich schwer sein, Literatur zum Thema zu finden, wenn sich noch niemand damit beschäftigt hat.
Es reicht allerdings nicht aus, im Kapitel zum Stand der Forschung einfach zu schreiben, es gäbe keine Literatur zu deinem Thema, weil es eine Forschungslücke darstellt. Es wird immer verwandte Themen in der Forschung geben. Auf diese musst du dich dann im theoretischen Rahmen beziehen. Als eigenen kritischen Beitrag merkst du dann an, dass diese Literatur noch deutliche Lücken aufweist und weitere Forschung zu dem Thema benötigt wird, die du mit deiner wissenschaftlichen Arbeit nun anstrebst.
Zusammenfassung: Die Literature Review
In der Literature Review steckt also einige Arbeit. Da sie 30-40% der wissenschaftlichen Arbeit ausmacht, sollte man sie nicht unterschätzen. Das Kapitel bildet den theoretischen Rahmen, auf den sich deine Forschung stützt. Mache dir also genaue Gedanken darüber, wen du zitieren möchtest, wessen Werk auf keinen Fall fehlen darf, und welche Debatten in der Literatur vorherrschen. In der Masterarbeit und Doktorarbeit musst du in der Literature Review auch deinen eigenen Beitrag zum Forschungsfeld und eine kritische Evaluation der bestehenden Literatur vorweisen.
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